Da kommt mein Mann letzthin von der Post heim.
Musste ein eingeschriebenes Paket abholen.
Als er geschätzte 45 Minuten später wieder da war, fragte er
mich, wie ich das alles nur aushalte?! Diesen Verkaufsjob. Während dem Anstehen
hatte er, der absolut friedliebende Mensch, bei jedem zweiten Kunden das
Bedürfnis diesen windelweich zu hauen.
Ich musste auf den Stockzähnen grinsen.
Meine Antwort ist ziemlich einfach und simpel. Ich liebe die
Menschen. Höre ihnen zu und bin freundlich. Gerne beobachte ich, und ich
versuche, wenn ich etwas Tolles gesehen oder erlebt habe, dieses bei anderen
mir auch fremden Menschen umzusetzen.
Ich muss aber auch ganz am Anfang von dieser Geschichte
gerechtigkeitshalber eingestehen, dass auch ich manchmal nicht mit allen Menschen
den Rank finde. Ich bin der festen Überzeugung, dass jeder der im Verkauf
arbeitet (und Verkauf ist so ziemlich viel) freundlich zu sein hat. Schafft er
dieses nicht, sollte er den Job wechseln oder an solchen Tagen zu Hause bleiben.
Darum bin ich nett und kundenorientiert. Wenn mir etwas unrechtes geschieht
setzte ich mich für mich ein. Aber niemals, gar gar nie zettle ich in meinem
Beruf Lämpe an. Nein!
Aber wo fange ich an.
Ich liebe Käse und Milch. Schon immer. Hier in meinem Dorf,
wo ich aufgewachsen und noch immer zu Hause bin, hatten wir eine Käserei. Wenn
ich die Augen zumache und an diesen Laden denke, läuft im inneren Auge ein
kleiner Film ab. Ich erinnere mich an das Quietschen der Türe. Ich sehe vor mir
die Theke. Ich weiss noch heute wie viel die Eier gekostet haben und wo die
Süssigkeiten waren. Wenn die Schiebetüre zur Käserei geöffnet war, sah man den
Käser mit seinen weissen Gummistiefeln und seiner Schürze. Zur richtigen Zeit
im Laden konnte man den Bauern zukucken, wie sie die Milchkannen brachten. Ich
weiss wie es klingt, wenn eine solche unter Vakuum geöffnet wird. Ich mag
dieses Aroma dieser warmen Milch in diesem riesigen Käsereibecki wenn Käse
gemacht wird.
Ich sehe die Verkäuferin, wie sie mit diesem grossen
Spachtel fast auf das Gramm genau Käse absticht. Verdammt, ich erinnere mich an
Vrenis Schuhe und wie sie mit dem einen Fuss das Türli vor der Milchkanne
schliesst. Ich weiss noch alles. Haargenau.
Auch erinnere ich mich an diese Harmonie in diesem Lädeli.
Irgendwie waren immer alle freundlich. Als Kind hat man dort nichts geschenkt
bekommen wie zum Beispiel noch heute in vielen Metzgereien und doch sind wir
immer gerne losmarschiert, wenn wir vom Mami den Auftrag bekommen haben Milch
zu holen. Jede Schwester mit ihrem Milchkesseli am Arm.
Gerade das Erlebte in der Kindheit betrachte ich als
prägend. Leider haben wir keine Käsi mehr im Dorf. Ich versuche trotzdem, dass
meine Buben richtig viel Menschenkontakt haben. Im November war Markt im
Nachbarsdorf. Meine Kinder fahren wahnsinnig gerne mit den öffentlichen
Verkehrsmitteln. An der Bushaltestelle fragt mich mein kleiner Sohn, ob er
dieses Mal das Billett lösen dürfe. Natürlich darf er. Wir üben das Sprüchli.
Zehn Mal, zwanzig Mal. Der Bus kommt und
er steigt vorne ein. Ich steige mit dem Kinderwagen hinten ein. Voller Stolz
beobachte ich ihn. Er sagt Grüezi und dann sein Satz. Wie abgestumpft muss man
sein, um beim Anblick eines 4 jährigen Menschen, dem man die Freude von 2
Kilometer weit ansieht, nicht ebensolche zu empfinden. Das ist doch der Grund,
warum man/Frau Bus fährt und Personen befördert. Genau wegen solchen tollen
Momenten.
Doch Frau Meier hinter dem Steuer sagt nicht Grüezi oder
Hoi. Sie lächelt auch nicht, nein, sie plärrt ihn an: „Du hast 20 Rappen zu
wenig.“
Mein Kind versteht nicht, was 20 Rappen zu wenig sind. Er
kann freundlich sein und sein Sprüchli aufsagen. Für mehr Spontanität ist er
noch zu klein!
So zerre ich mein Portemonnaie hervor und eile zu meinem
Kind. Ich entschuldige mich und zahle
den fehlenden Betrag. Beim retour Laufen legt die gute Frau einen Kickstart hin,
bei welchem selbst Michael Schuhmacher erblassen würde. Wir sind noch keine 5
Meter gefahren da kommt mir mein Kinderwagen entgegen. Ihr Fahrstil ist nicht
„Kinderwagenbremsentauglich“.
Völlig entnervt stelle ich den Wagen auf und setze mich.
Ignoriere den erneuten Schweissausbruch. Scheiss ÖV.. denke ich. Schon zum
zweiten Mal in kürzester Zeit. Warum tue ich mir das an?
Kurz überlege ich mir zu Fuss nach Hause zu laufen. Doch
nein, meine Buben wollen noch einmal Bus fahren. Da ich nun ja weiss was ein
Busticket kostet, gebe ich meinem Sohn einen grossen Batzen. Meine ich...
Der Kleine steigt wieder vorne ein.
Lotto!
Wieder Frau M...
Wieder sein Sprüchli. Nur umgekehrt dieses Mal.
Wäre es nicht so tragisch, weil ich betrachte mich leider
just in diesem Moment als Kundin der RBL, müsste ich laut lachen.
Sie plärrt in meine Richtung: „Er hat schon wieder zu wenig!!“
Ich bin ein bisschen irritiert: Aber er hat doch 5 Franken?! (Könnte ja sein,
dass sie aufgeschlagen haben..) Sie: Nein er hat nur 2 Franken und dann...völlig
entnervt zu mir: „JETZT SÖTTET SII DE ÖPPE WÖSSE WIEVEU SO ES TICKET KOSCHTET!!“
Okay, ich gebe es zu ich bin sprachlos.
Bin nicht einmal mehr in der Lage, mich für meinen Fehler zu
entschuldigen.
Ich bin halt der Meinung, dass dieses Geschäft auch freundlicher
hätte abgewickelt werden können.
Und prägender. Für meinen Sohn.
Positiv, meine ich!
Als wir alle sitzen, meine ich zu meinem Sohn: „Jesses ist
diese Frau schlecht gelaunt.“ Darauf meint mein 4-jähriges Kind. „Jo gell.., ond
scho de ganzi Tag!“
Schade Frau M. Sie haben es versemmelt. Schade....
Nicht mal ein gratis Würstli würden dieses Bild welches sie
abgegeben haben wett machen!
Liebe Grüsse,
Eveline