Freitag, 29. August 2014

Cirkus Monti

Eine meiner schönsten Erinnerungen an die Unterstufenzeit ist, wie wir an einem Nachmittag mit der Schule den Cirkus Monti besuchten. Auf der grossen Wiese an der Seetalbahnlinie, vis-a-vis vom weltbesten Spielzeugladen hausierte einmal im Jahr der Regionale Cirkus. Ich erinnere mich an das Kassenhäuschen, an das Glace in der Pause. An den speziellen Geruch und die Holztreppchen wo wir drauf sassen. Man konnte runter gucken und wenn ich ehrlich bin fürchtete ich mich immer ein bisschen, dort runter zu fallen. Ins grüne Gras.
Nach ein paar Tagen war der Cirkus wieder weg. Nur ein grosser, brauner Fleck erinnerte uns daran, dass er hier gewesen war. Ein grosser Fleck auf einer grossen grünen Matte!

Ich bin Aargauerin.
Seetalerin genau gesagt.
Ein Landei.
Richtig.
Und ich bin stolz darauf.

Meine Wurzeln sind hier. Bin hier geboren und genau hier, in diesem Dorf wo ich heute wohne, aufgewachsen. Kenne die Mentalität der Menschen, weiss wie sie ticken und weiss plusminus damit umzugehen. Kenne den grausam dichten Herbstnebel und weiss, dass die Kühe im Sommer Glocken tragen. Bin mir bewusst, dass unser Schulsystem organisationstechnisch nicht das beste ist und kenne den stündlichen Busfahrplan in die nächst grössere Ortschaft.
Ich kenne die Menschen. Die Menschen kennen mich.
Passt so. Für mich!

Ich bin hier geboren und hatte trotzdem nie das Bedürfnis weg zu gehen.
Ich liebe meinen Ort. Ich liebe die Menschen hier. Ich bin einfach gerne hier.

Grundsätzlich wird man belächelt wenn man sagt, man sei aus dem Aargau. Es ist der Kanton welche zwar alle gerne durchfahren..aber hier wohnen..um Himmels Willen. Das dann schon lieber nicht. Noch heute werden uns weisse Socken angedichtet und man lacht gerne über uns....

Ich kann damit leben.

Ich kenne die Vorzüge und wunderbar schönen Orte in meinem Kanton. Werde sie hier aber nicht speziell erwähnen.

Soll ich euch sagen warum?

Sonst kommen noch mehr.
Jäjo!

Seit den 80iger Jahren wächst und wächst die aargauer Bevölkerung. Sie tut es nicht, weil wir nebst dem weissen Socken tragen extrem gerne vögeln. Nein! Sie tut es, weil aus der gesamten Schweiz und dem nahen Ausland Menschen zu uns kommen. Weil jeder, der in einer grossen schweizer Stadt arbeitet gerne auf dem Land wohnt. Das ist so gut für die Kinder. Der See und die Umgebung tun so gut!
Und weil gerade meine Gegend nun mal so wunderbar ländlich aber verdammt nahe an dieser Autobahn liegt, kommen sie von überall her zu uns. Kaufen Wohnungen, bauen Häuser und fahren tagtäglich mit ihren Autos nach Basel, Bern und Zürich.



Eigentlich kein Problem. Aber sie kommen und finden unsere Kühe laut. Unser Schulsystem ist nicht vereinbar mit ihrem Job. Bekommen vom Nebel Depressionen und mögen die Mentalität der Menschen nicht! Zu dem allem Pendeln sie auch nicht mit den öffentlichen Verkehrsmittel. Weil die Anschlusszeiten nicht passen und das alles zu anstrengend ist.

Vor 7 Jahren sind meine Schwiegereltern ins hinterste Kaff im Tessin ausgewandert. Beinahe keine Menschen hat es dort. Die Beweggründe habe ich damals kaum verstanden. Noch heute verstehe ich nicht, wie man gute Menschen um sich herum, Freunde und jahrelange Nachbarn von einem auf den anderen Tag verlassen kann um im Niemandsland zu leben. Doch ich habe diesen Entscheid immer akzeptiert. Es nie positiv geredet aber es auch nicht schlecht gemacht.

Wenn ich heute nach Aarau fahre. Nicht etwa mit den Öffentlichen, ich weiss ja wie bekackt das ist, fahre ich an 9 Baustellen vorbei. Was meine Buben auf der Rückbank in grosse Begeisterung versetzt macht mich ein wenig traurig und nachdenklich. In Schafisheim bauen sie gerade das neue Coop Verteilerzentrum. Dort wird mehr Beton verbuddelt als allwäg für eine Staumauer verwendet wird. In Staufen und Lenzburg werden zig Wohneinheiten für die Menschen die bald bei uns arbeiten gebaut. Fast alle Wohnungen sind neu, modern und sehr teuer. Viele Familien, die hier schon lange wohnen vermögen diese Wohnungen nicht. In meinem Nachbardorf ist es beinahe unmöglich die Mieten zu bezahlen, wenn nicht beide arbeiten und kein Doppelverdienst vorhanden ist. Es wird gebaut, gebaut und gebaut.
In meinem Dorf war das lange nicht so schlimm. Doch 2014 werden auch hier alte Häuser abgerissen und darauf neue Mehrfamilienhäuser gebaut.
Egal wie eng die Gassen dann sind...
Ich bin mir nicht sicher, wer in diesen Wohnungen leben möchte.
Wir, die unser Dorf kennen, bestimmt nicht..
Und ob das andere möchten, wage ich zu bezweifeln.
Denn ich kenne meine Ortschaft.
Mein Dorf...

Warum schreibe ich diese Geschichte?
Was ist der Sinn?
Werde ich frustriert und traurig wie meine Schwiegermutter. Machen mir die Menschen Angst. Bin ich nicht offen?
Muss ich hier weg?
Aber nein!
Ich bitte einfach alle, die sich für einen Wohnort auf dem Land entscheiden, prüft doch alles. Überlegt es euch gut. Schaut nicht nur die Lage an. Redet mit den Menschen und schaltet das Hirn ein. Gefällt es euch hier wirklich oder meint ihr es nur?!

Und dann noch etwas in persönlicher Sache… die 88 Wohnungen auf dem Monti Platz in Seon. Musste das jetzt wirklich auch noch sein?! Wie gerne hätte ich mit meinen Buben den Cirkus dort besucht. Wie schade finde ich es, dass das nicht mehr möglich ist...
Zum Kotzen...muaaa...

Hebeds Guet,
Eve