Meine Fresse...
Wo komme ich bloss hin.
An gewissen Tagen bin ich ein
emotionales Wrack.
Durch die Geburt von meinen Söhnen
werde ich mit Sachen konfrontiert, von denen ich nie im Leben gedacht
habe, dass sie mich einmal „bodigen“ und mir fehlen!!!
Als wir letztes Jahr den Weihnachtsbaum
aufgestellt haben, sagte ich zu meinem Partner: „Nächstes Jahr
brauchen wir ihn nicht mehr auf das Laufgitter zu stellen. Ich
glaube, das räume ich im neuen Jahr weg. Das brauchen wir nicht
mehr.“
Salopp gesagt.
Da stehe ich also letzte Woche im
Wohnzimmer und hole in einem Anfall von Putzwut den Schraubenzieher.
Hatte kurz zuvor schon die ganze Küche ausgeräumt und war top
motiviert.
Ordnung muss her.
Ich brauche Platz!
Wir reden hier von einem uralten
Laufgitter. Visa Gloria. Naja wenn ich ehrlich bin, so uralt auch
nicht. Nur meine Mutter war schon da drinnen..und natürlich
wir...und jetzt meine Buben...und mein Patenkind...
Mein Vater hat es nach meiner Geburt
mit einem warmen kuscheligen Teppichboden ergänzt und kippsicher
gemacht. Es hat einen festen Boden und ist einfach ein tolles Teil.
Hat halt eine Geschichte.
Um es auseinander zu nehmen musste ich
vier Schrauben lösen.
Nach den ersten drei musste ich eine
Pause machen. Ich sass also da mit einem Kaffee und beobachtete das
Teil.
Mein Hals schnürte sich zu und mir
wurde ganz anders...
Als ich dann die vierte Schraube gelöst
hatte und unter den handgemachten Metallteilen noch die Hinweise zum
Montieren von meinem Vater sah, kollabierte ich. Ich überlegte kurz
ob es echt auffallen würde, wenn ich es einfach für die nächsten
18 Jahre so dort stehen liesse. Eigentlich brauche ich ja diesen
Platz gar nicht zwingend. Eigentlich stört es ja gar nicht.
Eventuell brauchen wir es auch diese Weihnachten noch? Vielleicht
kommen ja auch mal kleine Kinder zu Besuch und ich bin dankbar für
dieses Laufgitter....
Der Gedanke daran, dieses Laufgitter
niemals mehr aufstellen zu können hat mir die Tränen in die Augen
getrieben!
Ich sass da, weinte um ein altes
Holzteil und wusste zu jedem Zeitpunkt, dass ich völlig meschugge
bin.
Vor gut sieben Jahren haben wir unser
Haus gekauft.
Lange haben wir nach einem Geeigneten
gesucht.
Wir haben zig Objekte angeschaut bis
uns klar war, dass wir in das Dorf zurück wollten in dem wir beide
aufgewachsen sind.
Für uns stand, als dieser Entschluss
feststand, bauen nicht zur Diskussion. Unsere Traumplätze sind
entweder privat oder (noch) nicht eingezont. (Ich bin auf der
Lauer...)
Als ich unser zukünftiges Haus zum
ersten Mal gesehen habe, war ich noch nie zuvor an dieser Strasse.
Das wiederum ist ein „weneli“
speziell. Reden wir doch von einem kleinen Dorf.
Eigentlich dachte ich, ich kenne alles
hier!
Das war nicht so..
Das Haus liegt an einer privaten
Sackgasse und schaut noch aus wie ein Haus.
Mein Puls hat sich schon nur beim
Betrachten der Strasse verändert. Ich sah meine noch ungeborenen
Wunschkinder fahrradfahren und spielen.
Es hat ein grosses Grundstück, wovon
man wenn man nicht die Trittsicherheit einer Geiss hat nicht
wirklich viel benützen kann. Das kommt daher weil unser Haus das
letzte war, wo der Aushub von Hand gemacht wurde. Hatte glaube ich
schon damals niemand gross Bock einen halben Berg von Hand
wegzupickeln.
Direkte Nachbarn hat es hier, aber
jeder hat genug Platz und sie sind sehr freundlich .
Ein bisschen heile Welt, hier bei uns
hinten..
Als wir also dieses Haus zum ersten Mal
sahen, war es Frühling. 25. April 2007. Ein wunderschöner Tag.
Rechts vom Haus steht ein grosser
Apfelbaum.
Heute kenne ich die ganze Geschichte
von meiner Strasse. Auch von diesem Baum.
Dieser Baum ist älter als unser Haus.
Er wird auf sicher hundert Jahre geschätzt. An diesem sagenhaften
und für uns so wichtigen Frühlingstag war dieser Baum in voller
Blüte. Ein weisser Traum mit einem leichten rosa Akzent.
Da der Baum bestimmt 6 Jahre nicht mehr
geschnitten wurde, war er zu diesem Zeitpunkt riesig. Es schien als
stehe eine halbe Kugel Blüten auf der Wiese.
Ein Traum.
Ich bin eine Frau. Ich sah die Lage von
diesem Haus, dieses Blütenmeer von einem Baum und wollte dieses
Haus!
Basta.
Wird schon passen. Drinnen. Dachte ich
mir.
Es hat auch gepasst, das Haus. Noch
heute passt es.
Das mit dem Baum hat weniger gepasst.
Wie ich anhand vom Laufgitter wohl
aufzeigen konnte, liebe ich alte Sachen.
Ich gebe da nicht so rasch auf.
Dass der Baum nicht gesund war, sahen
wir schon im ersten Winter.
Wir liessen in extrem stutzen.
Viele Äste waren abgeknickt und
kaputt.
Nie mehr hatte er so schöne Blüten
wie an diesem Tag.
Aber saumässig viele Blätter hatte er
noch immer.
Im Herbst. Am Boden.
Und Äpfel.
Sehr viele Äpfel.
Was sicherlich sinnvoll ist an einem
Apfelbaum.
Wenn man dann Äpfel mag.
Ich mag sie nicht!
Aber, und das muss ich fairheitshalber
sagen, der Baum hatte auch sein Gutes. Ich hatte eine Schaukel daran.
Dort mit meinen Söhnen zu „hängen“ war traumhaft.
Leider wurde das immer gefährlicher.
Wir mussten davon ausgehen, dass er hohl und stark einsturzgefährdet
ist.
Darum musste er weg. An einem Samstag
im Januar war es dann soweit. Die bestellen Männer starteten mit
Vorfreude die Motorsägen.
Als er dann so dastand. Der Baum. Ohne
Äste und jedem Baum im Bäregrabe in Bern Konkurrenz machte, fragte
ich meinem Partner: „Wa meinsch, mache mer s‘Rechtige?!“ Er
schaut mich kurz entgeistert an und meint dann trocken: „Ich
beförchte för söttigi Öberlegige esch es z spot...!“
Als ich dann sah, wie kaputt und hohl
der Baum war, machte sich in mir eine grosse Erleichterung breit. Ich
darf ab sofort die 5 Äpfe,l welche ich pro Woche brauche bei der
Bauersfrau im Dorf frisch kaufen. Muss kein Laub mehr auflesen und
verdammt auch kein Äpfel aufkratzen von der Strasse wenn „Fremde“
mit dem Auto darüber gefahren sind. YES!
Gebodigt hat mich dann nur das Seil von
der Schaukel. Als es so dalag. Auf der Wiese. Erneut schossen mir die
Tränen in die Augen und ich sah, wie mein Vater mir half, die
Schaukel zu montieren. Für meinen Sohn. Damit es auch hält...
...verdammt hört das denn nie auf?
Liebe Grüsse,
Eveline
Ajo...der Baum lebt weiter. Mein
Nachbar schnitzt irgendetwas aus ihm ;o)