Eine meiner schönsten Erinnerungen an
die Unterstufenzeit ist, wie wir an einem Nachmittag mit der Schule
den Cirkus Monti besuchten. Auf der grossen Wiese an der
Seetalbahnlinie, vis-a-vis vom weltbesten Spielzeugladen hausierte
einmal im Jahr der Regionale Cirkus. Ich erinnere mich an das
Kassenhäuschen, an das Glace in der Pause. An den speziellen Geruch
und die Holztreppchen wo wir drauf sassen. Man konnte runter gucken
und wenn ich ehrlich bin fürchtete ich mich immer ein bisschen, dort
runter zu fallen. Ins grüne Gras.
Nach ein paar Tagen war der Cirkus
wieder weg. Nur ein grosser, brauner Fleck erinnerte uns daran, dass
er hier gewesen war. Ein grosser Fleck auf einer grossen grünen
Matte!
Ich bin Aargauerin.
Seetalerin genau gesagt.
Ein Landei.
Richtig.
Und ich bin stolz darauf.
Meine Wurzeln sind hier. Bin hier
geboren und genau hier, in diesem Dorf wo ich heute wohne,
aufgewachsen. Kenne die Mentalität der Menschen, weiss wie sie
ticken und weiss plusminus damit umzugehen. Kenne den grausam dichten
Herbstnebel und weiss, dass die Kühe im Sommer Glocken tragen. Bin
mir bewusst, dass unser Schulsystem organisationstechnisch nicht das
beste ist und kenne den stündlichen Busfahrplan in die nächst
grössere Ortschaft.
Ich kenne die Menschen. Die Menschen
kennen mich.
Passt so. Für mich!
Ich bin hier geboren und hatte trotzdem
nie das Bedürfnis weg zu gehen.
Ich liebe meinen Ort. Ich liebe die
Menschen hier. Ich bin einfach gerne hier.
Grundsätzlich wird man belächelt wenn
man sagt, man sei aus dem Aargau. Es ist der Kanton welche zwar alle
gerne durchfahren..aber hier wohnen..um Himmels Willen. Das dann
schon lieber nicht. Noch heute werden uns weisse Socken angedichtet
und man lacht gerne über uns....
Ich kann damit leben.
Ich kenne die Vorzüge und wunderbar
schönen Orte in meinem Kanton. Werde sie hier aber nicht speziell
erwähnen.
Soll ich euch sagen warum?
Sonst kommen noch mehr.
Jäjo!
Seit den 80iger Jahren wächst und
wächst die aargauer Bevölkerung. Sie tut es nicht, weil wir nebst
dem weissen Socken tragen extrem gerne vögeln. Nein! Sie tut es,
weil aus der gesamten Schweiz und dem nahen Ausland Menschen zu uns
kommen. Weil jeder, der in einer grossen schweizer Stadt arbeitet
gerne auf dem Land wohnt. Das ist so gut für die Kinder. Der See und
die Umgebung tun so gut!
Und weil gerade meine Gegend nun mal so
wunderbar ländlich aber verdammt nahe an dieser Autobahn liegt,
kommen sie von überall her zu uns. Kaufen Wohnungen, bauen Häuser
und fahren tagtäglich mit ihren Autos nach Basel, Bern und Zürich.
Eigentlich kein Problem. Aber sie
kommen und finden unsere Kühe laut. Unser Schulsystem ist nicht
vereinbar mit ihrem Job. Bekommen vom Nebel Depressionen und mögen
die Mentalität der Menschen nicht! Zu dem allem Pendeln sie auch
nicht mit den öffentlichen Verkehrsmittel. Weil die Anschlusszeiten
nicht passen und das alles zu anstrengend ist.
Vor 7 Jahren sind meine Schwiegereltern
ins hinterste Kaff im Tessin ausgewandert. Beinahe keine Menschen hat es dort. Die Beweggründe habe ich
damals kaum verstanden. Noch heute verstehe ich nicht, wie man gute
Menschen um sich herum, Freunde und jahrelange Nachbarn von einem auf
den anderen Tag verlassen kann um im Niemandsland zu leben. Doch ich
habe diesen Entscheid immer akzeptiert. Es nie positiv geredet aber
es auch nicht schlecht gemacht.
Wenn ich heute nach Aarau fahre. Nicht
etwa mit den Öffentlichen, ich weiss ja wie bekackt das ist, fahre
ich an 9 Baustellen vorbei. Was meine Buben auf der Rückbank in
grosse Begeisterung versetzt macht mich ein wenig traurig und
nachdenklich. In Schafisheim bauen sie gerade das neue Coop
Verteilerzentrum. Dort wird mehr Beton verbuddelt als allwäg für
eine Staumauer verwendet wird. In Staufen und Lenzburg werden zig
Wohneinheiten für die Menschen die bald bei uns arbeiten gebaut.
Fast alle Wohnungen sind neu, modern und sehr teuer. Viele Familien,
die hier schon lange wohnen vermögen diese Wohnungen nicht. In
meinem Nachbardorf ist es beinahe unmöglich die Mieten zu bezahlen,
wenn nicht beide arbeiten und kein Doppelverdienst vorhanden ist. Es
wird gebaut, gebaut und gebaut.
In meinem Dorf war das lange nicht so
schlimm. Doch 2014 werden auch hier alte Häuser abgerissen und
darauf neue Mehrfamilienhäuser gebaut.
Egal wie eng die Gassen dann sind...
Ich bin mir nicht sicher, wer in diesen
Wohnungen leben möchte.
Wir, die unser Dorf kennen, bestimmt
nicht..
Und ob das andere möchten, wage ich zu
bezweifeln.
Denn ich kenne meine Ortschaft.
Mein Dorf...
Warum schreibe ich diese Geschichte?
Was ist der Sinn?
Werde ich frustriert und traurig wie
meine Schwiegermutter. Machen mir die Menschen Angst. Bin ich nicht
offen?
Muss ich hier weg?
Aber nein!
Ich bitte einfach alle, die sich für
einen Wohnort auf dem Land entscheiden, prüft doch alles. Überlegt
es euch gut. Schaut nicht nur die Lage an. Redet mit den Menschen und
schaltet das Hirn ein. Gefällt es euch hier wirklich oder meint ihr
es nur?!
Und dann noch etwas in persönlicher
Sache… die 88 Wohnungen auf dem Monti Platz in Seon. Musste das
jetzt wirklich auch noch sein?! Wie gerne hätte ich mit meinen Buben
den Cirkus dort besucht. Wie schade finde ich es, dass das nicht mehr
möglich ist...
Zum Kotzen...muaaa...
Hebeds Guet,
Eve