Samstag, 13. April 2013

Anne und Ich


Für diese Geschichte habe ich bereits zig Male angefangen.

Oft war ich so wütend über das Gesehene, dass ich unmöglich weiterschreiben konnte.
Wenn ich diese Geschichte erzählen könnte, so wie mir der Schnabel gewachsen ist und nicht aufschreiben müsste. Mei die würde gut!
Aber so strample ich mich noch einmal ab und versuche in kurzen Sätzen auf den Punkt zu kommen.
Ich hoffe, es gelingt mir...., denn es ist wichtig. Verdammt!


Ziemlich genau vor zwei Jahren, im Frühsommer 2011, bin ich mit dem elektrifizierten „Lavendel Traum“ zur Arbeit geradelt.
Auf dem Veloweg, den ich schon während meiner ganzen Oberstufenzeit gefahren bin, hat mich ein kleines Auto überholt.
Es war ein eher unauffälliges Auto. Höchst wahrscheinlich wäre es mir gar nicht aufgefallen, hätte es nicht höhe „Juch“ abbremsen müssen, da ein Traktor gemütlich ausfuhr. Auf der Hutablage hatte das unauffällige Auto eine Flagge. In einfachen Lettern stand dort „White Power“, inklusive das aus Filmen bekanntem Sujet!
Hier bei uns.
Nicht im bösen Ausland.
Der Autolenker schätzte ich auf Anfang 20.
Da ich mit meinem Flyer schneller fuhr als der Traktor, konnte ich mich, als mich das Auto zum zweiten Mal überholte, definitiv davon überzeugen, dass meine Augen nicht von akutem Augenkrebs befallen waren.

„Scheisse“, dachte ich.
Dieses Arschloch ist zwanzig.
Was muss bei dem falsch gelaufen sein?!
Kann es sein, dass mir etwas solches mit meinen Buben passiert?
Lasse ich dieses Gedankengut zu?
Was machst du als Familienmitglied, wenn dein Kind so etwas auf seine Hutablage im Auto legt?

Aktuell herrscht in der Schweiz eine grosse Unstimmigkeit.
Viele Schweizer nerven sich ob dem Verhalten schlecht integrierter Ausländer, auch mich stört dieses Verhalten oft.
Das aber mit rechtsradikalem Denken auszudrücken, oder sogar auszuleben, befremdet mich stark.

Mit etwa zwölf Jahren habe ich von meiner Mutter das Tagebuch von Anne Frank geschenkt bekommen.
Ich habe es verschlungen.
Die letzten einundzwanzig Jahre habe ich vieles von ihr und vieles rund um den zweiten Weltkrieg gelesen. Meine Sammlung wird immer grösser, mein Wissen auch.

Vor mehr als einem halben Jahrhundert ist dieser grosse Krieg zu Ende gegangen.
Was um himmels Willen bewegt ein heute zwanzigjähriger Mensch, diese Greueltaten zu verleugnen oder sogar schön zu reden?
Warum packt der sich so eine Flagge ins Auto?
Welchen Bildungsstatus muss er besitzen, um solches zu glauben?
Welchen Bildungsstatus besitzen seine Eltern, um solches zu tolerieren?
Was für Menschen sind das?

1994 hat das Stapferhaus in Lenzburg eine Ausstellung durchgeführt mit dem Namen „Anne Frank und Wir“
Meine Eltern haben sie gemeinsam mit mir besucht.
Wir haben nicht oft solche Ausflüge gemacht. Doch dieser hat sich in meinen Kopf festgebrannt wie sonst nichts anderes. Während einem Vortrag konnte ich, 14-jährig, die Ausstellung nicht nur mit den Augen erforschen, nein, ich hatte die einmalige Möglichkeit, Miep Gies zuzuhören. Miep war die Helferin, welche Anne und ihrer Familie beim Untertauchen geholfen hatte. Ohne Miep wäre das alles unmöglich gewesen. Sie war es auch, die das Tagebuch von Anne gerettet hatte, nachdem diese abgeführt worden war. Nur dank ihr wissen wir von Annes Geschichte aus derer Sicht.

Diese Ausstellung haben 100`000 Menschen besucht.

Die Eltern von diesem jungen Mann ganz offensichtlich nicht!
Auch keine Freunde von dieser Familie.

Denn eines sage ich euch:
In meinem Umfeld, komme was wolle, werde ich ein solches Verhalten nicht tolerieren!
Das ist keine Phase, aus der „man“ rauswächst.
Das ist kein Haschisch, welches „man“ ausprobiert..
Keine bösen Tattoos, welche nicht wieder weggehen.
Keine unmöglichen Kleider.

Nichts davon...
Dieser Mann ist auch nicht nett und hat einfach komische Ansichten...
NEIN!

In letzter Zeit nehmen die rassistischen Aktivitäten wieder zu. Aber nur weil der „Jugo“ mit dem fetten Benz, welchen du dir nie im Leben leisten würdest, und der mit Sicherheit seine Steuern niemals zahlt und trotzdem noch überall Unterstützungen erhält, dir auf den Senkel geht, kannst du dir doch unmöglich ein „White Power“ Fähnli ins Auto legen!

Das Verhalten von diesem Jungen Mann ist abscheulich und beängstigt mich sehr.
Es zu tolerieren oder versuchen zu erklären ist auch falsch.
Zu wissen, dass diese Meinung frei ausgelebt werden darf, finde ich nicht richtig.
Oft höre ich die entschuldigende Erklärung: „Weisch, de chonnt halt ned druus“!
Diese toleriere ich auch nicht.
Nie...
Verdammt, einige Menschen, die den zweiten Weltkrieg überlebt haben, leben noch.
Es ist passiert.
Es zu leugnen ist daneben und unerhört.
Es ist Geschichte.
Die Geschichte von unserem Kontinent.
Also bitte, bildet euch weiter, lest Bücher.
Nur so können wir dagegen kämpfen, dass es jemals wieder so weit kommt!

Ich habe diese Geschichte meinen engsten Vertrauten zum Probelesen gegeben.
Das habe ich vorher noch nie gemacht. Normalerweise besitze ich ein ziemlich gutes "Gspühri" ob ich das so schreiben kann...
Nicht bei diesem mir so wichtigen Thema.
Ich hatte ein ziemlich hartes Ende. Das habe ich auf anraten von meinem "Lektor" gestrichen. 
Wer es hören möchte darf gerne mit mir darüber reden!

Sodeli. Nun geht es mir besser.

Liebe Grüsse,
Eve