Ich und meine Schwestern sind an der
Arschlochstrasse aufgewachsen.
In einem Bauerndorf mit knapp 600
Einwohner haben sich an der Trotte die so ziemlich fiesesten und
unfreundlichsten Gestalten getroffen, die es gibt.
Versteht mich nicht falsch. Wir hatten
auch Vreni und Sepp mit ihren grossen Buben und die Familie Wipf,
aber das war es dann. Für die nächsten 15 Jahre...
An dieser Strasse hatten wir alles.
Alteingesessene, Kinderlose. Zugezogene aus angrenzenden Kantonen und
ein, zwei Normale. Anständige. Auch Rudolf-Steiner Kinder, auf deren
kindliche Unterstützung wir nicht zählen konnten. Weil wir sie gar
nicht kannten. An dieser Strasse! In diesem Dorf.
Jedes Grundstück verfügt über
mehrere Quadratmeter. Platz genug um die Hütte, um miteinander
auszukommen.
Sollte man meinen.
Man hatte Abstand. Keine Reihenhäuser.
Viel Platz.
Kein Durchgangsverkehr.
Sackgasse.
Ende.
Und doch hat man sich gestritten,
tagtäglich. Der Anstand fehlte. Auf jedes noch so simple Baugesuch
wurde Einsprache erhoben. Die Nachbars Katze wurde bekämpft, ebenso
wie Bäume und verdammte Sträucher. Es wurde nicht gegrüsst und
schon gar nie geredet. Nie.
Wir Nachbarskinder assen nie
beieinander zu Mittag und ein normales miteinander Spielen war auch
schier unmöglich, weil sich ja die Alten nicht vertragen haben.
Wir durften an Silvester von unseren
Eltern aus am Abend nicht mit raus. Alle unsere Gspänli verbrachten
den Silvester Abend Streiche spielend und wild herumstreuend im Dorf.
Wir nicht.
Warum?
Nur so konnten unsere Eltern hieb und
stichfest bezeugen, dass wir es nicht waren, welche beim gestörten
Banker die Granitmöbel zerstört haben und Elsis Briefkasten mit
Klopapier verschmiert haben.
Das wurde nämlich gemacht.
An dieser Strasse mit diesen
unsympathischen Menschen.
Jeder war für sich.
Wenn wir gefragt wurden wo wir wohnen,
wurden wir ausgelacht. „Haha..die Trottelstrasse“.
Jeder kannte uns. Jeder wusste von den
Streitigkeiten.
Ich habe es gehasst.
Nur ganz selten hat sich jemand durch
das Krisengebiet gewagt. Denen die es bis heute immer getan haben war
und bin ich sehr dankbar.
Jene Frauen und Männer die angehalten
haben und einen Schwatz hielten. Jene die es schafften, nicht alle in
den gleichen Topf zu werfen.
Jene, die mir weit weg von der Trotte
die Chance gaben, meine kommunikative Art auszuleben.
Freundschaften zu schliessen.
Freundschaften, die bis heute halten!
Heute ist die Trottenstrasse ruhig. Die
Arschlöcher sind weg. Nur Elsi trotzt dem unfreundlichen Haufen
noch. Ich denke, sie überlebt alle!
Nodisno sind die Hausbewohner
weggezogen.
Wohl um an einem neuen, unbekannten Ort
erneut Lämpe anzuzetteln.
Recht einzufordern.
Um zu gewinnen.
Wenn ich heute nach Hause komme, winkt
mir die Nachbarin von meiner Mutter zu, die Kinder tschutten
gemeinsam und man schaut während den Ferien zu den Blumen.
Ich habe einige Zeit gebraucht, um dem
Frieden zu trauen.
Heute redet niemand mehr von der
TROTTELstrasse.
Durch und durch freundliche Menschen
wohnen jetzt dort.
Etwas habe ich mir doch hinter die
Ohren geschrieben.
„Scheisse“ nie dort wo es dir wohl
ist!
Das Leben ist um vieles einfacher, wenn
man mit seinen Nachbarn gut auskommt.
Man muss nicht bei sich gegenseitig ein
und ausgehen.
Nur mit Freundlichkeit kommt man schon
recht weit.
Heute bin ich im anderen Dorfteil zu
Hause.
An meiner Strasse sind wir nett.
An meiner Strasse helfen wir einander.
An meiner Strasse sind Kinder
willkommen.
Das kleine Dorf von damals hat sich bis
heute beinahe verdoppelt.
Auch heute kommen noch Arschlöcher
hierher.
Wird es wohl immer geben. Menschen mit
genügend Geld, die meinen, uralte Gegebenheiten durch genügend
Arroganz auszumerzen zu können.
Nun.
Wird wohl schwierig werden.
Für sie.
Denn Glücklich wird man mit dem
richtigen Haus an der falschen Strasse wohl nie!
Ich danke allen an meiner heutigen
Strasse.
Schön gibt es Euch,
Herzlichst Eve
Und so nebenbei. Wenn ihr gerade an
einem Streit seid. Ihr euch so richtig für euer Recht einsetzt.
Wegen einem Busch oder so...
Denkt an die Kinder von dieser Strasse.
Viel Platz ohne Freunde ist scheisse!