Freitag, 20. Dezember 2013

Alles Käse, Frau M.!


Da kommt mein Mann letzthin von der Post heim.

Musste ein eingeschriebenes Paket abholen.

Als er geschätzte 45 Minuten später wieder da war, fragte er mich, wie ich das alles nur aushalte?! Diesen Verkaufsjob. Während dem Anstehen hatte er, der absolut friedliebende Mensch, bei jedem zweiten Kunden das Bedürfnis diesen windelweich zu hauen.

Ich musste auf den Stockzähnen grinsen.

Meine Antwort ist ziemlich einfach und simpel. Ich liebe die Menschen. Höre ihnen zu und bin freundlich. Gerne beobachte ich, und ich versuche, wenn ich etwas Tolles gesehen oder erlebt habe, dieses bei anderen mir auch fremden Menschen umzusetzen.

Ich muss aber auch ganz am Anfang von dieser Geschichte gerechtigkeitshalber eingestehen, dass auch ich manchmal nicht mit allen Menschen den Rank finde. Ich bin der festen Überzeugung, dass jeder der im Verkauf arbeitet (und Verkauf ist so ziemlich viel) freundlich zu sein hat. Schafft er dieses nicht, sollte er den Job wechseln oder an solchen Tagen zu Hause bleiben. Darum bin ich nett und kundenorientiert. Wenn mir etwas unrechtes geschieht setzte ich mich für mich ein. Aber niemals, gar gar nie zettle ich in meinem Beruf Lämpe an. Nein!

Darum rate ich Frau M. von den Regionalbetrieben dringen diesen Post zu lesen. Sie ist nicht mehr die Jüngste, muss aber noch einige Tage bis zur Pension arbeiten. So wie sie ihre Arbeit aktuell tut, ist es unbefriedigend. Sicher nicht nur für ihre Kundschaft, sondern auch für sie selbst! Ich denke, in einem LKW ohne Kundschaft wäre sie besser aufgehoben. Wenn ihr jemand frech kommt soll sie sich wehren. Einfach grundlos unfreundlich zu sein ist dagegen einfach nur Scheisse!


Aber wo fange ich an.


Ich liebe Käse und Milch. Schon immer. Hier in meinem Dorf, wo ich aufgewachsen und noch immer zu Hause bin, hatten wir eine Käserei. Wenn ich die Augen zumache und an diesen Laden denke, läuft im inneren Auge ein kleiner Film ab. Ich erinnere mich an das Quietschen der Türe. Ich sehe vor mir die Theke. Ich weiss noch heute wie viel die Eier gekostet haben und wo die Süssigkeiten waren. Wenn die Schiebetüre zur Käserei geöffnet war, sah man den Käser mit seinen weissen Gummistiefeln und seiner Schürze. Zur richtigen Zeit im Laden konnte man den Bauern zukucken, wie sie die Milchkannen brachten. Ich weiss wie es klingt, wenn eine solche unter Vakuum geöffnet wird. Ich mag dieses Aroma dieser warmen Milch in diesem riesigen Käsereibecki wenn Käse gemacht wird.

Ich sehe die Verkäuferin, wie sie mit diesem grossen Spachtel fast auf das Gramm genau Käse absticht. Verdammt, ich erinnere mich an Vrenis Schuhe und wie sie mit dem einen Fuss das Türli vor der Milchkanne schliesst. Ich weiss noch alles. Haargenau.

Auch erinnere ich mich an diese Harmonie in diesem Lädeli. Irgendwie waren immer alle freundlich. Als Kind hat man dort nichts geschenkt bekommen wie zum Beispiel noch heute in vielen Metzgereien und doch sind wir immer gerne losmarschiert, wenn wir vom Mami den Auftrag bekommen haben Milch zu holen. Jede Schwester mit ihrem Milchkesseli am Arm.


Gerade das Erlebte in der Kindheit betrachte ich als prägend. Leider haben wir keine Käsi mehr im Dorf. Ich versuche trotzdem, dass meine Buben richtig viel Menschenkontakt haben. Im November war Markt im Nachbarsdorf. Meine Kinder fahren wahnsinnig gerne mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. An der Bushaltestelle fragt mich mein kleiner Sohn, ob er dieses Mal das Billett lösen dürfe. Natürlich darf er. Wir üben das Sprüchli. Zehn Mal, zwanzig Mal. Der Bus kommt  und er steigt vorne ein. Ich steige mit dem Kinderwagen hinten ein. Voller Stolz beobachte ich ihn. Er sagt Grüezi und dann sein Satz. Wie abgestumpft muss man sein, um beim Anblick eines 4 jährigen Menschen, dem man die Freude von 2 Kilometer weit ansieht, nicht ebensolche zu empfinden. Das ist doch der Grund, warum man/Frau Bus fährt und Personen befördert. Genau wegen solchen tollen Momenten.

Doch Frau Meier hinter dem Steuer sagt nicht Grüezi oder Hoi. Sie lächelt auch nicht, nein, sie plärrt ihn an: „Du hast 20 Rappen zu wenig.“

Mein Kind versteht nicht, was 20 Rappen zu wenig sind. Er kann freundlich sein und sein Sprüchli aufsagen. Für mehr Spontanität ist er noch zu klein!

So zerre ich mein Portemonnaie hervor und eile zu meinem Kind. Ich entschuldige mich und  zahle den fehlenden Betrag. Beim retour Laufen legt die gute Frau einen Kickstart hin, bei welchem selbst Michael Schuhmacher erblassen würde. Wir sind noch keine 5 Meter gefahren da kommt mir mein Kinderwagen entgegen. Ihr Fahrstil ist nicht „Kinderwagenbremsentauglich“.

Völlig entnervt stelle ich den Wagen auf und setze mich. Ignoriere den erneuten Schweissausbruch. Scheiss ÖV.. denke ich. Schon zum zweiten Mal in kürzester Zeit. Warum tue ich mir das an?


Kurz überlege ich mir zu Fuss nach Hause zu laufen. Doch nein, meine Buben wollen noch einmal Bus fahren. Da ich nun ja weiss was ein Busticket kostet, gebe ich meinem Sohn einen grossen Batzen. Meine ich...

Der Kleine steigt wieder vorne ein.

Lotto!

Wieder Frau M...

Wieder sein Sprüchli. Nur umgekehrt dieses Mal.

Wäre es nicht so tragisch, weil ich betrachte mich leider just in diesem Moment als Kundin der RBL, müsste ich laut lachen.

Sie plärrt in meine Richtung: „Er hat schon wieder zu wenig!!“ Ich bin ein bisschen irritiert: Aber er hat doch 5 Franken?! (Könnte ja sein, dass sie aufgeschlagen haben..) Sie: Nein er hat nur 2 Franken und dann...völlig entnervt zu mir: „JETZT SÖTTET SII DE ÖPPE WÖSSE WIEVEU SO ES TICKET KOSCHTET!!“


Okay, ich gebe es zu ich bin sprachlos.

Bin nicht einmal mehr in der Lage, mich für meinen Fehler zu entschuldigen.

Ich bin halt der Meinung, dass dieses Geschäft auch freundlicher hätte abgewickelt werden können.

Und prägender. Für meinen Sohn.

Positiv, meine ich!

Als wir alle sitzen, meine ich zu meinem Sohn: „Jesses ist diese Frau schlecht gelaunt.“ Darauf meint mein 4-jähriges Kind. „Jo gell.., ond scho de ganzi Tag!“


Schade Frau M. Sie haben es versemmelt. Schade....

Nicht mal ein gratis Würstli würden dieses Bild welches sie abgegeben haben wett machen!


Liebe Grüsse,

Eveline